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Führerschein Walther 1949

Erinnerungen

... bis zum Führerschein

2021

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© W. Kaspar-Sickermann

Mit Vierzehn fing es an

Vierzehn Jahre war ich alt. Es war ein Sonntag Ende 1944. Meine Mutter und ich waren auf dem Hof unserer Autowerkstatt. Wir setzten uns in den DKW. Ich saß auf dem Fahrersitz.

Damals wohnten wir in  → Köslin  in Ostpommern. Meine Eltern hatten einen kriegswichtigen  → Kfz-Betrieb . Daher hatten wir noch ein Auto, einen DKW, und sogar Benzin. Mein Vater war zur Wehrmacht eingezogen, meine Mutter leitete den Betrieb, der Russe kam näher. Es war Zeit für die Vorbereitung unserer Flucht. Dazu gehörte, dass ich Auto fahren konnte.

Der Wagen,  → DKW-Reichsklasse  mit Krückstockschaltung, stand etwa 20 m vor dem Hallentor. Meine Mutter erklärte mir,

   Motor starten    Kupplung treten    Gang einlegen
   Kupplung kommen lassen und Gas geben
   ...fahren...
   Gas weg, Kupplung und Bremse treten, Gang raus...
   Motor ausschalten

Ich fuhr los, trat vor dem Hallentor auf die Bremse und würgte den Motor ab. - Noch einmal!

Ich fuhr rückwärts los, trat nach 15 m auf die Bremse und würgte den Motor ab. - Noch einmal!

Ich fuhr los, trat vor dem Hallentor auf die Bremse und auf die Kupplung, nahm den Gang raus und schaltete den Motor ab. - Prima! Du kannst fahren!

Damit war die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.

Das war ein gefährliches Unternehmen. Hätte uns jemand dabei beobachtet und dann angezeigt, dann wäre ein Schnell-Strafverfahren wegen Vergeudung kriegswichtigen Benzins sehr wahrscheinlich gewesen.  -  Es gab Leute, die auf so eine Gelegenheit nur warteten.
 

Es kam aber alles ganz anders ...

Ende Januar 1945 schickte meine Mutter mich mit einer Nachbarin in den Westen zu meinen Großeltern. - Sie selbst wurde Anfang März kurz vor dem Einmarsch der Russen von einer Bekannten mitgenommen, unser DKW war beschlagnahmt worden.

Vater, Mutter und ich landeten schließlich in Lübeck. Aber das alles ist eine andere Geschichte.
 

Displaced Persons und der Lastwagen

Schon bald nach Kriegsende war mein Vater Fahrer in einem Fuhrpark und transportierte mit einem Lkw  → Displaced Persons  mit ihrem Hab und Gut von ihren Ankunftsbahnhöfen Lübeck-Kücknitz oder Bad Schwartau zu den Sammellagern, von denen es in Lübeck mehrere gab. Das größte Lager war  → Pöppendorf.  Displaced Persons waren beispielsweise polnische Zwangsarbeiter, die nun aus der britischen Besatzungszone wieder per Schiff nach Polen zurück gebracht wurden.

Manche Fahrten führten auch ins Umland, beispielsweise bis zum Schaalsee. Oft fuhr ich mit. Und wenn ich mit meinem Vater alleine war, war meistens ich der Fahrer, auch bis in die Stadt Lübeck rein.

Einmal hatten wir einen Transport in das Lager "Am Stau" gebracht. Wir standen mit dem Lkw mitten im Lager. Wie immer stieg mein Vater aus und versuchte, irgendwo Essen für uns zu ergattern. Ich setzte mich auf den Fahrersitz und spielte mit dem Lenkrad.

Da kam ein Lagerwächter und gab mir die Anweisung, den Wagen auf einen bestimmten anderen Platz zu fahren. Also lenkte ich als Fünfzehnjähriger den Lkw vorsichtig mitten durch die Menschenmenge.
 

Die abenteuerliche Fahrschule

Endlich, im Jahre 1948, wurde ich achtzehn Jahre alt. Meine Eltern hatten inzwischen wieder einen kleinen Betrieb aufgebaut und die Vertretung für Krupp-Lastwagen übernommen, die in Nürnberg gebaut wurden. - Das Geld für Fahrschule und Führerschein kam erst Weihnachten zusammen. Dann aber ging es sofort los.

Die Fahrschule war eigentlich nur der Form halber nötig. Zunächst zwei Fahrschulstunden mit einem Pkw, dem  → Opel P4 .

In der zweiten Stunde ging es auf die Autobahn in Richtung Hamburg. Das gehörte nun mal dazu.

Aber da war nichts zu lernen, denn es gab praktisch keinen Verkehr. Bis Reinfeld (gab es die Ausfahrt damals überhaupt schon?) oder gar bis Bad Oldesloe fahren? Neee!

An der Stelle, die heute zwischen Lübeck-Moisling und dem Kreuz Lübeck liegt, wo eine Hochspannungsleitung die Autobahn quert, sagte der Fahrlehrer

"Wenden Sie über den Grünstreifen"

Das war keine Falle. Es war ernst gemeint. Ich wendete über den Grünstreifen, wurde gleichzeitig darüber belehrt, dass man das NIEMALS machen dürfe.

A1 Richtung Sueden vor Kreuz Luebeck

Hier geschah die Wende über den Grünstreifen
Damals war die Autobahn in jeder Richtung zweispurig, keine Leitplanken. - [Aufnahme 2021]

Danach ging es gleich auf den Fahrschul-Lkw. Es war ein alter  → Hanomag,  mit dem ich echte Probleme hatte.

Die Lenkung war so schwergängig, dass ich Mühe hatte, in der Innenstadt von Lübeck in eine andere Straße abzubiegen. - Die Kupplung hatte so starke Federn, dass ich die ersten Male das Kupplungspedal nicht runterdrücken konnte, sondern mich selbst vom Sitz hochdrückte.

Die Gangschaltung war am gefährlichsten. Der Schalthebel ließ sich leicht in jeden Gang drücken. Wenn ich aber nicht drückte, sondern eher zog, hatte ich ihn plötzlich lose in der Hand... und das auch bei Fahrt über eine Kreuzung. Die Schaltgabel war aus dem Getriebe herausgerutscht.

"Kupplung treten! Kupplung treten!..."
und dann rüttelte der Fahrlehrer so lange am Schalthebel, bis der wieder einrastete.

Wer jetzt denkt, wie schlimm das war...
Schlimm ja, aber nein, ich habe an diese alten Autos und den engagierten Fahrlehrer die besten Erinnerungen.
 

... bis zum Führerschein

Wir waren dann mehrere Prüflinge. Der Fahrlehrer sorgte dafür, dass ich nicht durch die Innenstadt fahren musste, sondern in der Gegend der Autobahnauffahrt, was heute die Stockelsdorfer Straße ist. - Und bei der Prüfungsfrage, wie hoch der Reifendruck bei Lastwagen sei, habe ich geraten "5 atü". Ob das richtig war, weiß ich bis heute nicht.

Fuehrerschein Walther 1949

Der "Lappen"
Dies ist eine Zweitschrift. Das Original wurde mir schon im ersten Jahr gestohlen

Im folgenden Jahr habe ich schon einen  → Krupp-Südwerke Titan  in Nürnberg für die Firma übernehmen dürfen. Ein Fahrer war zwar mitgekommen, aber er überließ mir für lange Strecken das Steuer.

Unbeschreiblich der Glockenton des Krupp-Junkers Zweitakt-Dieselmotors. Ich habe ihn immer noch in den Ohren.

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