NOV 2016
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Überraschung, Respekt und auch Sehnsucht klingen in dieser Frage an.
Im Nationalpark Phu Kradueng in der Provinz Loei, abseits von den großen Verkehrswegen, steht ein Sandsteinmassiv, das sich mehr als 1.000 m über die Umgebung erhebt.
Oben befindet sich ein schwach nach Norden abfallendes Plateau mit einer Fläche von 60 km2. Rundherum begrenzen steil abfallende Klippen die Hochfläche. Dort, wohin das Wasser abfließt, findet man die Wasserfälle, die das Plateau anfressen. Kurz und knapp: hier steht ein Tafelberg.
Gefährlich ist der Anstieg nicht, aber anstrengend. Je nach Kondition benötigen die Besucher für die 5,5 km bis zur oberen Kante drei bis sechs Stunden, um dann festzustellen, dass das Besucherzentrum mit Zelten und einfachen Bungalows noch dreieinhalb Kilometer entfernt ist.
Wer den Rand der Klippe erreicht (1.288 m), wird daher begrüßt als
"Eroberer des Phu Kradueng"
Phu = Berg
Kradueng = Kuhglocke
Eine solche Landschaft könnte man eher an der Mittelmeerküste oder (weiter im Innern) in der Lüneburger Heide vermuten als in Thailand. Wer einmal hier oben war, wird die Wege an den Klippen entlang, durch die weite Baumsteppe bis hin zu den Wasserfällen nie vergessen. - Manch ein Fotograf steigt vor allem wegen der Sonnenauf- und -untergänge hier herauf.
Die Schlafhütten sind inzwischen durch geräumigere Zelte ersetzt worden. Ein Bungalow hat zwei Wohneinheiten. Hinter jedem Fenster steht ein Doppelbett, um das man gerade mal herumlaufen kann. Auf der Rückseite des Hauses sind zwei Waschkabinen mit Toilette. - Kein Luxus, dafür Abenteuer und Natur pur.
In der Regenzeit ist der Phu Kradueng gesperrt. An einzelnen Tagen in der kühlen und in der trockenen Zeit ist der Berg überlaufen, hauptsächlich von Einheimischen. Ausländer trifft man dort kaum und wenn, dann eher mal Japaner. Einen guten Eindruck von den Massen, die dort hochklettern, die am Abend den Sonnenuntergang beobachten, bietet dieser → Videoclip in you tube (05:10).
Ich kannte diesen Berg schon aus den Jahren 1990 und 1992. Nun wollte ich es noch einmal versuchen. Ich lieh mir einen Wagen und fuhr zum Nationalpark. In einer Schlafhütte wollte ich nicht schlafen. Daher fuhr ich wegen des erwarteten Andrangs schon am Vortag zum Headquarter und konnte noch einen Bungalow buchen.
"Wie wird das Wetter?" - "Kein Problem!"
Am nächsten Morgen, einem Sonnabend, tobte ein Unwetter, das sich dann aber schnell verzog.
Meinen Tagesrucksack, er wog 8 kg, gab ich ab. Ein Träger würde ihn rauftragen. Bewusst übertrat ich die eiserne Regel, Kompass und Erste Hilfe unbedingt bei mir zu tragen. Ich kannte ja den Weg, und in dieser Jahreszeit waren doch so viele Leute unterwegs. Aber es kam anders.
So trug ich nur einen Regenschirm, einen Wanderstock, meine Fotoausrüstung, eine Wasserflasche und fünf Bananen mit mir.
Dann ging es steil hoch. Nur wenige Wanderer und die Träger überholten mich, einige Mönche kamen mir entgegen. Das war alles. Für ein Wochenende war das überraschend wenig.
Viele Abschnitte sind gut hergerichtet, es gibt endlose Treppen und -zunächst- breite Schneisen. Bei den Geländern hatte ich allerdings den Eindruck, dass sie weniger für den Komfort der Wanderer gedacht sind, sondern eher zum Schutz der Natur vor ihnen. — Hochsteigen, das muss man allerdings selbst!
Die Zikaden brüllten, Vögel sangen, dort war eine Ameisenstraße und dann sah ich
dieses Tier. Natürlich: das ist ein Chamäleon.
[Inzwischen bin ich verwirrt von den 160 verschiedenen
Chamäleon-Arten und behaupte nur noch, dass es zur Familie der
leguanartigen Reptilien gehört]
Plötzlich war ich allein und in den Wolken. Ich kam an Raststätten vorbei, menschenleer. Und nun wurde mir klar. Alle, die ich hier als Mitwanderer erwartet hatte, hatten den Wetterbericht gelesen und waren zu Hause geblieben.
Ein Schild erinnerte mich: "Hier laufen wilde Elefanten". Aber kein Ratschlag, wie man sich verhalten soll.
Eine unwirkliche, geisterhafte Stimmung, wie ich sie in dieser Intensität noch nicht erlebt habe! Faszinierend und wunderschön! — Angst? Nein, dazu war es auch viel zu anstrengend.
Es begann zu regnen, es goss, es kamen Blitz und Donner. Dann war ich endlich oben und stand auf einer Hochebene, von der ich kaum etwas sehen konnte. — Dass die Unterkünfte noch mehr als drei Kilometer weiter im Norden standen, hätte ich überall lesen können, aber ich hatte noch im Kopf, dass sie vor 20 Jahren hier in unmittelbarer Nähe des Aufstiegs gestanden hatten.
So lief ich todmüde, nass bis auf die Haut, auf einem Feldweg in den Wolken nach Norden.
Und dann passierte etwas, was es eigentlich gar nicht geben kann: ein Auto kam –wo kommt hier ein Auto her?–, ich durfte aufsteigen und war dann in wenigen Minuten im Camp.
⇐ kurz, aber informativ
Vermisst hatte man mich noch nicht. "Ach ja, hier liegt ja noch ein Rucksack". Ich erhielt meinen Bungalow und ging dann im strömenden Regen zum Essen. Es waren kaum Menschen da.
Auf dem Rückweg sah ich eine Ausländerin unter einem Dach stehen. Sie starrte in die Unendlichkeit, Regen und Wolken machten ihr das leicht. Ich sprach sie auf Deutsch an, wer sonst klettert auch an so einem Tag auf so einen Berg?
Sie war sozusagen auf der Durchreise von Neuseeland nach Deutschland hier oben gelandet (gestrandet?). Obwohl sie viel schneller lief als ich, sie hatte mit Gepäck weniger als drei Stunden für den Aufstieg gebraucht, ich ohne Tagesrucksack mehr als sechs, verabredeten wir, den Rückweg am nächsten Tag gemeinsam zu laufen. Das war eine gute Idee, denn auf diese Weise hatten wir dann noch einmal ein Abenteuer, auf das wir uns als Einzelwanderer nicht so ohne weiteres hätten einlassen wollen.
Da der Feldweg direkt zur Abstiegskante über die mehr als drei Kilometer ziemlich eintönig war, Baumsteppe, sonst nichts, fragte ich im office, ob es entlang der Klippe einen Weg gebe. "Nein, ein Weg ist da nicht, aber man kann da laufen".
Das taten wir dann auch!
Vom Lager aus liefen wir ostwärts bis an die Cliffkante. Üblicherweise stehen hier die Leute und warten auf den Sonnenaufgang. Heute wartete keiner. Wir waren immer noch in den Wolken. Glücklicherweise regnete es nicht.
Dann verließen wir Platz und Weg und stapften durch die Wildnis nach Süden, immer in Sichtweite der Cliffkante. Und fanden als erstes das Signal "hier ist unser Gebiet!", nämlich das der Elefanten. Der Schiet war noch ziemlich frisch.
Es folgte eine Invasion von Blutegeln. Schwupps, hingen sie an unseren Waden, so schnell konnten wir gar nicht gucken. Aber Christiane, Doktorandin der Medizin, fand schnell Hilfe. Sie sprühte uns Mückenspray an die Beine, das machte mich sprachlos: Es half wirklich!
Sie hat so gute Augen, dass sie sogar einen Blutegel in Lauerstellung sah, ich hätte ihn glatt übersehen. Es war ein bisschen schwierig für mich, ihn zu filmen, konnte mich nicht lange in der Hocke halten. Wer so einen angriffslustigen Wurm noch nicht gesehen hat, sollte sich trotzdem den unscharfen Videoclip ansehen.
Unscharf und verwackelt! ⇒
Wer aber noch keinen lauernden Blutegel gesehen hat, bitte sehr...
⇐ Die Träger,
Männer und Frauen!